Spart sich die Oper selbst ein?
- Ensemblemitglieder gestalten Parodie auf Spardiskussion -
Sich frustriert verkriechen - oder auftrumpfen, zeigen, was man kann und die anderen auf die Schippe nehmen? Mitglieder des Nationaltheater-Ensembles haben sich für die zweite Variante entschieden. Bei der heutigen "Freitag Nacht" präsentieren sie im Studio im Werkhaus "Openda 2010", die "Fiktion eines Opernabends im Jahre 2010" nach allen Einsparungen.
Die Idee dazu hatte Winfried Sakai. Der Opernsänger (Bass, bekannt als Sarastro, Gurnemanz, Ochs, Alberich oder Daland) will an dem Abend zeigen, wie "inmitten von entsparten und reformierten Theaterlandschaften ein Endzeit-Trupp dem apokalyptischen Wahn der Kulturreformer die Stirn bietet": "Sozialverträglicher Stellenabbau und prozentual kaskadierende Sparpolitik konnten den harten Kern der Theater-Emphatoren von Kurpfalz-Metropolitan nicht in die Knie zwingen", meint er sarkastisch in seiner Beschreibung des Miniaturstücks. Darin spielen einige Theaterleute ihre ganz spezielle (Spar-)Version der "Zauberflöte".
Mit dabei sind außer Sakai Linda Naaykens (Musikhochschule), Felizitas Luber aus dem Opernchor, Jutta Graßmann aus dem Bewegungschor, dessen Leiterin Rosemarie Neri, Schillertage-Leiter Thomas Kraus sowie Uwe Sontowski (Beleuchtung), Atelierchef Thomas Busse, Tontechniker Andrew Gardner, Dramaturg Hans-Peter Frings, Produktionsleiter Steven Goreki und Matthias Lippert, der früher am Nationaltheater war und jetzt Produktionsleiter in Bayreuth ist. Gemeinsam zeigen sie augenzwinkernd, wie - vielleicht - die Oper der Zukunft aussieht. (pwr Mannheimer Morgen - 06.02.2004)
Das Lachen vergeht
- Süffisant-sarkastische Persiflage auf Spardebatte im Theater -
Ob sie so irgendwann vielleicht einmal aussieht, die Oper? ”Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren ...” kann man da wirklich nur noch singen, wie in der ”Zauberflöte”. Mehr als Pamina und Tamino und drei Knaben bleiben davon freilich nicht übrig, wenn sie Realität wird, die ”Openda 2010 ”. Als bittersüße Persiflage auf die Realität ist sie jetzt schon mal zu erleben gewesen, in der Reihe ”Freitag Nacht” im Werkhaus des Nationaltheaters.
Regelmäßig präsentieren da Ensemblemitglieder kleine Sessions, Mini-Inszenierungen oder Lesungen. Diesmal ist’s besonders voll, sitzen gar Leute auf den Treppen, klatschen und lachen vergnügt mit, als Opernsänger Winfried Sakai seine ”Fiktion eines Opernabends im Jahr 2010” präsentiert – eine ideenreich-süffisante Persiflage auf kulturelle Einsparzwänge und aktuelle theater politische Diskussionen mit einer Menge (auch schwarzem) Humor.
Wir befinden uns, wie es so schön bissig heißt, ”am Ende kultureller Galaxien inmitten von entsparten und reformierten Theaterlandschaften“ bei einem harten Kern von ”Theater-Emphatoren” in ”Kurpfalz-Metropolitan”. Die Truppe (Sakai am Flügel, Linda Naaykens – mit herrlicher Stimme übrigens – als Opernhospitantin, Atelierchef Thomas Busse – ebenso mit beeindruckendem Gesangssolo – und Elektriker Andrew Gardener)
ist mal hochmotiviert, mal desillusioniert. Per Bildschirm zugeschaltet, nervt monoton der ”Kulturadministrator” (Hans-Peter Frings). Er verkündet froh, dass die wenigen noch nicht eingesparten Stellen sicher sind – dank der Kooperation von CASF und Mestle, die auf der anderen Rheinseite in Kooperation Mozartkugeln produzieren und daher eine Mozart-Oper wünschen: ”Sie werden das Publikum bitte entsprechend befriedigen”, verlangt er und droht mit dem “Tonrücknahmegesetz”. Wer nicht spielt, wie die Leute mögen, muss die Recyclingkosten der Töne selbst zahlen...
Dazwischen läuft Matthias Lippert (früher Nationaltheater, jetzt Bayreuther Festspiele) mit Unterstützung von Thomas Kraus und Steven Gorecki zur Hochform auf, als er als smart-schmieriger Consulting-Mann mit unverständlichen mathematischen Formeln einen effizienteren Theaterbetrieb fordert. Uwe Sontowski stößt als arbeitssuchender Tamino zu der Truppe, Rosemary Neri und Jutta Graßmann begeistern als Kartenabreißerinnen wie als Ballett, und dazwischen kommt Felizitas Luber (”Ich bin ein Zitat”) und wischt alles weg – mit dem in „Carmen” so umstrittenen Putzwagen. Bloß: Wegwischen kann man nicht so einfach, was als ”Openda 2010” droht. Vieles ist zum Lachen, manches könnte Realität werden – dann vergeht das Lachen. (Peter W. Ragge, Mannheimer Morgen vom 08.02.04)
Nur zum Spaß
- 75. „Freitag Nacht" im Werkhaus des Nationaltheaters -
Mannheim. Vordergründig stimmt's ja. Es ist „ein Abend ohne Sinn und Verstand", wie Regisseur Winfried Sakai offen eingesteht. Aber wer hintergründigen Humor mag, für den ist es doch ein Abend, der Spaß macht -und das soll sie ja machen, die „Freitag Nacht" im Werkhaus des Natjonaltheaters, gerade die 75., die ein besonderes Jubiläum dieser besonderen Kunstform markiert. 75? Das hört sich wahnsinnig alt an, oder? Dabei zeigt doch gerade dieser Abend wie der, wie viele frische Ideen, wie viel Energie, den sind. Winfried Sakai, eigentlich Lehrer, dann zum Opernsänger und seit dem Jahr 2000 zum Mannheimer Ensemblemitglied avanciert und hier selbst in schweren Wagner-Rollen zu erleben, führt an diesem Abend Regle. Im Februar hat er schon einmal eine „Freitag Nacht" inszeniert und damit Kulturpolitik genüsslich parodiere, diesmal ist es „nur aus Spaß an der Freude". „Krankenschwestern - oder die Kurförster vom Odenwald", so der Titel, lässt sich jetzt nicht gerade als Stück erkennen, auch wenn die Begegnung vagabundierender Förster und gelangweilter Krankenschwestern den Rahmen abgibt und zumindest in einem Fall unweigerlich ins Bett führt. Da stapfen zunächst vier Förster (Felizitas Luber, Susanne Scheffel, Julia Rothstein, Luise Weidner) zu einem Rap nach der Melodie vom „Jäger aus Kurpfalz" auf die Bühne, sind dann ein paar unterbeschäftigte, sich mehr um die eigene Schönheit als um Patienten sorgende Krankenschwestern zu bewundern (Thomas Busse, Uwe Sontowski, Markus Müller, Alexander O. Miller, Sanaolu Pram). Es folgt ein bisschen Klamauk, ein bisschen Parodie. Wenn Markus Müller, stellvertretender Intendant, in Rock und Pumps sowie mit Staubwedel versehen, „Ich brech' die Herzen der stolzesten Herren" singt, Luise Weidner mit Barbiepuppen spielt („Pack' die Badehose ein") oder Atelierchef Thomas Busse „Ich will keine Schokolade...", dann ist das einfach herrlich. Doch nicht nur Schlagerparodien, live von Raphael Haeger, Jens Knoop, Jochen Brenner, Jürgen Teil und Claudia Meyerer begleitet, gibt es. Schauspieler Gerhard Piske kommentiert dies alles im Stil eines Zeitungskritikers, mal mit allerlei Anspielungen auf Ikea-Eröff-nung und Intendantenwechsel, mal mit völlig verquastem Worthülsen und Satzgeklingel. Auch wenn zum Schluss ertönt „Im Leben geht mancher Schuss daneben" - der Abend erweist sich, wie der Beifall im vollbesetzten Werkhaus zeigt, als Volltreffer. Anfangs hatte Thomas Kraus damit gar nicht gerechnet. Der künftige stellvertretende Schauspieldirektor fing 2001 als Assistent des Intendanten an, das Werkhaus zu beleben und auch die neue Reihe „Freitag Nacht" ins Leben zu rufen. „Das hat sich jetzt wirklich als feste Reihe etabliert, auch sein Publikum gefunden", freut sich Kraus. Die Idee war, hier das gesamte kreative Potenzial des Hauses zur Entfaltung zu bringen. „Viele Leute haben mehr Fähigkeiten als die, die sie direkt täglich einbringen können", so Kraus. Im Werkhaus können dann eben auch mal Opernsänger inszenieren, Mitarbeiter der Technik singen. Während anfänglich in erster Linie die Regieassistenten die Chance nutzten, kleine Produktionen ohne großen Druck auf die Bühne zu bringen und zu experimentieren, „hat das Ganze jetzt eine Eigendynamik bekommen", so Kraus: Aus dem ganzen Haus melden sich Mitarbeiter mit Ideen - auch wenn es keine extra Gagen für diese Abende gibt, es macht einfach Spaß, Mitwirkenden wie Zuschauern. (pwr Sonntag Aktuell 6. Juni 2004)
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